Bild: Vor 60 Jahren

Vor 60 Jahren "Der schlimmste Schlag gegen die Volksgruppe"

Zu Beginn des neuen Schuljahres werden die Zahlen zur Anmeldung zum zweisprachigen Unterricht veröffentlicht. Wir wissen um die erfreulich steigenden Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht und wir wissen um die rückgängigen Slowenisch – Sprachkenntnisse unserer Kleinsten. All das beruht auf einer besonderen Geschichte. In diesem Zusammenhang war die Abschaffung des verpflichtenden zweisprachigen Schulwesens ein folgenschwerer Einschnitt für die slowenische Volksgruppe in Kärnten, den sie in nahezu allen ihren Lebensbereichen verspürte. Besonders hervorzuheben sind die Konsequenzen auf die slowenische Sprache, die Lebensader der Volksgruppe.

 

„Die Abschaffung des obligatorischen zweisprachigen Unterrichtes nach dem Krieg, vor genau 60 Jahren, war der schlimmste Schlag für die Kärntner Slowenen“, so der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen (NSKS) Dr. Valentin Inzko.

1957 besuchten ca. 13.000 Kinder in Südkärnten den verpflichtenden zweisprachigen Unterricht. Nach seiner Abschaffung zu Beginn des Schuljahres 1958 waren nur noch um die 1.300 SchülerInnen zum zweisprachigen Unterricht angemeldet. „Von diesem schweren Schlag hat sich die slowenische Volksgruppe nie mehr gänzlich erholt“, so Inzko. Währenddessen andere Kinder Fußball gespielt haben, musste Valentin Inzko den Slowenischunterricht am Nachmittag nach Ende des Vormittag Unterrichtes besuchen. „Wir hatten das Gefühl bestraft worden zu sein“.

Vor allem wurde dem Geist des friedlichen Zusammenlebens und des Kennenlernens der Sprache und Kultur des Nachbarn ein irreparabler Schaden zugefügt. Das edelste Erbe der englischen Besatzungsmacht, ein einzigartiger Versöhnungsmechanismus, wurde mit einem Federstrich vernichtet. Die erfreulichen aktuellen Anmeldungszahlen sind ein weiterer Beleg dafür, dass die Entscheidung des damaligen Landeshauptmannes ein schwerer Fehler war. Den verpflichtenden zweisprachigen Unterricht hat der sozialistische Landeshauptmann Ferdinand Wedenig abgeschafft. Die aufhetzenden Proteste gegen den  Slowenischunterricht in Südkärnten ("Schulstreiks") wurden jedoch vom Kärntner Heimatdienst organisiert. Dieser hat den Abgang der britischen Soldaten 1955 abgewartet und sofort mit Kampagnen und Streiks gegen den obligatorischen zweisprachigen Unterricht begonnen.

Dass es auch anders geht, hat ein Jahr zuvor der Unterrichtsminister der Volkspartei, DDr. Heinrich Drimmel bewiesen, der 1957 das Slowenische Gymnasium gründete, das Rückgrat der Volksgruppe. Auch damals gab es heftige Proteste des Heimatdienstes gegen die Gründung des Bundesgymnasiums für Slowenen.

„Im Sinne einer Begleichung von Unrecht“, meint Dr. Inzko, selbst Absolvent des Slowenischen Gymnasiums, „wäre es gerecht, das Anmeldesystem zum Slowenischunterricht zu ändern. In Zukunft sollte ein System der Abmeldung vom Slowenischunterricht für jene Kinder, die diesen nicht möchten, eingeführt werden. Für alle anderen wäre er verpflichtend. So wie beim Religionsunterricht und so wie es im Burgenland funktioniert. Das wäre eine minderheitenfreundlichere Regelung, als die bestehende“, so der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen.

Zur Abschaffung des verpflichtenden zweisprachigen Schulwesens meint Rudi Vouk, Anwalt und Vertreter des Društvo slovenskih pravnikov na Koroškem (Verein der slowenischen Rechtsanwälte in Kärnten): „Wenn wir das System des verpflichtenden zweisprachigen Unterrichtes beibehalten hätten, davon bin ich überzeugt, wäre es niemals zur Verschärfung des Volksgruppenkonfliktes, wie er sich in den 70er Jahren zugetragen hat, gekommen. Die Sprachkenntnisse hätten es mit sich gebracht, dass mit der Zeit die Vorurteile und Missverständnisse weggefallen wären. Wenn wir heute über das verbesserte Kima zwischen der Mehrheit und der Minderheit sprechen, stellen wir fest, dass fast die Hälfte der Kinder zum zweisprachigen Unterricht angemeldet ist. Es wäre die höchste Zeit, das Unrecht von vor 60 Jahren zu korrigieren.“

 

Celovec / Klagenfurt, 14.09.2018