Bild: Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages von Wien

Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages von Wien

Am 15.5. vor 63 Jahren wurde der österreichische Staatsvertrag mit seinem Art.7 über die Rechte der Kärntner Slowenen, Steirischen Slowenen und Burgenländischen Kroaten unterzeichnet. Bedauerlicherweise ist es schon Tradition, dass der Rat der Kärntner Slowenen zu diesem Jahrestag auf die Nichterfüllung des Art. 7 des Staatsvertrages in wichtigen Bereichen hinweisen muss. Besonders hervorgehoben seien folgende Punkte:

 

  1. Kindergarten gehört zum Elementarschulwesen.

Seit der Einführung des ersten und auch des zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres gehört das Kindergartenwesen eindeutig zum „Elementarschulwesen“ in der Diktion des Art. 7 Z 2 des Staatsvertrages von Wien. Es gibt aber noch immer kein Kärntner Kindergartengesetz, welches das zweisprachige Kindergartenwesen regeln würde – anders als im Burgenland. Es muss gewährleistet sein, dass überall im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens jedes Kind auch zur zweisprachigen Kindergartenerziehung angemeldet werden kann. Die privaten zweisprachigen Kindergärten sind finanziell abzusichern, wozu eine Indexierung der Förderbeiträge unumgänglich ist, dort wo es noch immer keine zweisprachigen Kindergärten gibt, ist es eine Aufgabe der Öffentlichkeit, diese zu schaffen.

Zweisprachiger Unterricht soll normal und selbstverständlich sein.

Die Zahl die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht steigt erfreulicherweise von Jahr zu Jahr an. Es ist bereits annähernd die Hälfte aller Kinder zum zweisprachigen Unterricht angemeldet. Unter diesem Gesichtspunkt ist es unverständlich, weshalb noch immer am Anmeldeprinzip festgehalten wird. So wie im Burgenland soll auch in Kärnten die Möglichkeit geschaffen werden, dass diejenigen, die ihren Kindern den Erwerb der zweiten Landessprache nicht ermöglichen wollen, die Kinder vom zweisprachigen Unterricht abmelden können, für alle anderen soll aber der zweisprachige Unterricht etwas Normales und Selbstverständliches sein. Damit würde im sechzigsten Jahr der Abschaffung des allgemeinen zweisprachigen Unterrichtes dieses Unrecht, welches den Kärntner Slowenen angetan wurde, endlich wieder beseitigt werden. In diesem Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung, welche besagt, dass gegen den Willen der Eltern Kinder nicht die slowenische Sprache erlernen dürfen, endlich wegen eindeutiger Diskriminierung der Kärntner Slowenen ersatzlos zu streichen. Die slowenische Sprache ist noch immer die einzige Sprache der Welt, die in Kärnten gegen den Willen der Eltern nicht unterrichtet werden darf.

Öffnung des Bundesgymnasiums für Slowenen.

Es ist noch immer gesetzlich geregelt, dass das Bundesgymnasium für Slowenen nur österreichische Staatsbürger besuchen dürfen. Diese Bestimmung ist schon seit dem Beitritt Österreichs zur EU rechtswidrig, wurde aber noch immer nicht angepasst. Es wäre hoch an der Zeit, auch den Gesetzeswortlaut dem Geist eines gemeinsamen Europa anzupassen.

Zweisprachiger Bildungsweg vom Kindergarten bis zur Matura.

Für Kinder, die nicht das Slowenische Gymnasium besuchen, hört der zweisprachige Bildungsweg bedauerlicherweise meistens nach der Volksschule schon wieder auf. Dies ist eine Ressourcenverschwendung, die sich Kärnten nicht weiter leisten kann. Es ist dringend sicherzustellen, dass der zweisprachige Bildungsweg vom Kindergarten bis zur Matura der Regelfall und nicht die Ausnahme sein wird.

Zweisprachigkeit an landwirtschaftlichen Schulen.

Noch immer völlig ungeregelt ist das zweisprachige Schulwesen im Bereich der landwirtschaftlichen Schulen, wofür Kärnten allein zuständig wäre. Die zweisprachige landwirtschaftliche Schule ist an den allgemeinen Standard der Zweisprachigkeit anzupassen.

Kapazität der Slowenischen Musikschule den bestehenden Bedürfnissen anpassen.

Bei der Einbindung der Slowenischen Musikschule in die Landesmusikschule wurden im letzten Moment die dafür vorgesehenen Mittel gekürzt, sodass nur die Hälfte der Schüler, die zuvor die Slowenische Musikschule besuchten, aufgenommen werden konnten. Die Nachfrage besteht nach wie vor. Es ist die Kapazität der Slowenischen Musikschule als Abteilung der Landesmusikschule den bestehenden Bedürfnissen anzupassen.

Eigenständigkeit der Minderheitenschulabteilung.

Die Minderheitenschulabteilung des Landesschulrates ist im Staatsvertrag als eigene Abteilung vorgesehen. Im Zuge der Umwandlung der Landesschulräte ist Einvernehmen mit der slowenischen Volksgruppe über die zukünftige Form dieser Abteilung herzustellen.

 

  1. Fehlende zweisprachige Ortstafeln und Wegweiser.

Trotz der Versprechungen anlässlich des „Ortstafelkompromisses“ wurde keine Öffnungsklausel vorgesehen und wurden bis dato keine weitere zweisprachige Ortstafel oder Ortsschilder aufgestellt. Selbst von den vorgeschriebenen Wegweisern fehlen nach wie vor etliche. Zu begrüßen ist der Beschluss der Stadtgemeinde Bleiburg/Pliberk, dass die restlichen vier noch fehlenden Ortschaften dieser Gemeinde nun endlich zweisprachige Tafeln bekommen werden. Diesem Beispiel mögen sich andere Gemeinden anschließen, insbesondere Sitterdorf/Žitara vas mit der Ortschaft Sielach/Sele. Es sollte das Ziel sein, bis zum Jubiläum der Volksabstimmung die im Ortstafelsturm 1972 hinweggefegte Zahl von 205 Ortschaften wieder zu erreichen – derzeit wären es, mitsamt den von der Gemeinde Bleiburg/Pliberk neu beschlossenen vier Ortschaften 168.

Verhöhnungen abstellen.

Verhöhnungen der slowenischen Volksgruppe, wie in St. Kanzian/Škocjan, wo der Wegweiser nach Horzach/Horce I auf die andere Straßenseite versetzt wurde, damit dieser ja nicht zweisprachig sein muss, sind umgehend abzustellen.

Zweisprachige Formulare für alle Gemeinden des Minderheitenschulgebietes.

Im Bereich der Amtssprache möge das Land die Initiative der Gemeinde Ludmannsdorf/Bilčovs aufgreifen und zweisprachige Formulare allen Gemeinden des Minderheitenschulgebietes zur Verfügung stellen. Dort, wo die Gemeinden auf freiwilliger Basis bereit sind, allen Gemeindebürgern die Verwendung des Slowenischen als Amtssprache zu ermöglichen und nicht nur Einwohnern bestimmter Ortschaften, sollen diese Einschränkungen auch gesetzlich abgeschafft werden.

Umsetzung der Empfehlungen der Vorgängerregierung im Gerichtswesen.

Im Justizbereich sind dringend Maßnahmen zu ergreifen, damit das zweisprachige Gerichtswesen nicht mangels Personal abgeschafft wird. Empfehlungen der schon von der Vorgängerregierung eingesetzten Kommission, der beteiligten Gerichtspräsidenten und Fachkreise sollen umgesetzt werden.

 

  1. : Medien

Die einzige nichtkirchliche slowenische Zeitung „Novice“ wird Jahr für Jahr „gerettet“, es geht um wenige zehntausend EURO, weil eine systematische Regelung im Presseförderungsgesetz fehlt. Während große und profitable österreichische Medien auch aus dem Titel der Presseförderung hohe Beträge erhalten, bekommt die einzige slowenische Zeitung nichts. Es ist eine Schande, dass die einzige slowenische Zeitung „Novice“ noch immer nur deshalb und nur auf bescheidenem Niveau erscheinen kann, weil sie Unterstützung aus der Republik Slowenien erhält.

Das Radio- und TV-Angebot in slowenischer Sprache ist entsprechend den europäischen Standards erheblich auszuweiten.

 

  1. Volksgruppenförderung

Die Volksgruppenförderung ist seit dem Jahre 1995 unverändert, de facto bedeutet dies mittlerweile fast eine Halbierung. Während sich das österreichische Bruttosozialprodukt fast verdoppelt hat und auch alle Kosten entsprechend gestiegen sind, wurde die Volksgruppenförderung um fast die Hälfte gekürzt! Dies ist der beste Weg um den Rückgang der Zahl der Volksgruppenangehörigen zum hundertsten Jubiläum der Volksabstimmung im Kärnten unumkehrbar zu machen. Es geht im Vergleich zu anderen Budgetposten um Minimalstbeträge. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass diese bescheidene Volksgruppenförderung nicht endlich angepasst und dauerhaft valorisiert wird.

 

Die Umsetzung dieser Punkte, wobei es sich um einen Auszug handelt, würde erst einen Zustand herstellen, wie er staatsvertraglich seit 1955 geboten wäre. Erst danach wäre die slowenische Volksgruppe in Kärnten überhaupt in der Lage, gleichberechtigt am politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und dementsprechend ihre Anliegen zu vertreten.

 

 

Celovec/Klagenfurt, 15.05.2018