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65 Jahre Staatsvertrag

65 Jahre Staatsvertrag – Gratulationen und Enttäuschung

Der Rat der Kärntner Slowenen gratuliert dem österreichischen Staat zum 65. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages betreffend die "Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich”, wurde doch unserer Heimat mit dieser Unterschrift vom 15. Mai 1955 endgültig die Ausübung der vollen Souveränität ermöglicht. Nach über 400 Verhandlungen konnte Bundeskanzler Leopold Figl sagen: “Österreich ist frei!” Österreich konnte demnach am 14. Dezember 1955 auch der UNO beitreten.

Eine bedeutende Rolle bei den Verhandlungen spielte auch die Moskauer Deklaration vom 1. November 1943, wo u.a. daran erinnert wird, dass Österreich für die "Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann” und dass bei der endgültigen Abrechnung Bedacht zu nehmen sein wird, “wieviel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird”.

Auf diesen Beitrag sind die Kärntner Slowenen besonders stolz, denn nur in Südkärnten gab es einen nennenswerten, organisierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus, mit hunderten Opfern, darunter auch 13 Opfer aus Sele/Zell und Umgebung, die am 29. April 1943 am Wiener Landesgericht enthauptet wurden. Der Nobelpreisträger Peter Handke errichtete diesen einfachen und tapferen Menschen ein gewaltiges literarisches Denkmal in seinem Werk “Immer noch Sturm”. Nach 1945 berief sich die Bundesregierung bei den Staatsvertragsverhandlungen wiederholt auf diesen Widerstand.

Kaum war jedoch der Staatsvertrag unterzeichnet, kam es zur neuerlichen Gründung von “Heimatverbänden”, die alles daran setzten, die Rechte der Kärntner Slowenen zu schmälern oder deren Umsetzung hinauszuzögern. Unter Bedachtnahme der vom österreichischen Verfassungsgerichtshof eingeführten 10% Klausel, hätte es z.B. nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages 800 Ortstafeln gegeben, denn bei der damals gültigen Volkszählung wurden noch über 40.000 Kärnten Slowenen registriert. Heute haben wir 164 Ortstafel und Schilder. Den schlimmsten Schlag versetzte der Volksgruppe jedoch der sozialistische Landeshauptmann Wedenig, der 1958 die verpflichtende zweisprachige Volksschule abschaffte. Von ungefähr 13.000 Schülern verblieben nur noch ca. 1.500. Davon hat sich die Volksgruppe nie wirklich erholt und auch die Volkszählungsergebnisse gingen ab diesem Zeitpunkt rasant zurück. Enormen Druck auf Wedenig haben die Heimatverbände ausgeübt, die über einen längeren Zeitraum massive Streiks organisiert haben, denen der Landeshauptmann schließlich gewichen ist. Es wäre im Jubiläumsjahr eine schöne Geste, wenn man als Wiedergutmachung überlegen würde, diesen verpflichtenden zweisprachigen Unterricht wieder einzuführen, wie derzeit im Burgenland oder wie beim Religionsunterricht, wo man sich abmelden kann.

Einen größeren Eingriff erfordert auch das Gesetz betreffend die Rechte der Volksgruppen, denn nach derzeitigem Stand ist der Staatsvertrag nicht zur Gänze erfüllt, beziehungsweise haben die Durchführungsgesetze dazu geführt, dass es nicht eine Kategorie von Kärntner Slowenen gibt (Bezirke mit "slowenischer oder gemischter Bevölkerung”), sondern 23 Kategorien.

So hat ein Bewohner von Eisenkappel alle Rechte, von der zweisprachigen Volksschule, der zweisprachigen Amtssprache über das Gericht hin bis zur Ortstafel. Andererseits hat aber die Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer in der vorbildlichen zweisprachigen Gemeinde Ludmannsdorf/Bilčovs alle Rechte, sie gehört aber keinem zweisprachigen Gerichtssprengel an. Ebenso die Bewohner von St. Jakob/Šentjakob oder das ganze Gailtal, um nur einige Beispiele zu nennen.

65 Jahre nach dem Staatsvertrag und 100 Jahre nach der Volksabstimmung wäre es an der Zeit, eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Volksgruppenrechte vorzunehmen. Eigentlich ist das im Koalitionsabkommen grundsätzlich vorgesehen, aber durch die Corona Krise in diese Thematik in den Hintergrund getreten.

Die Volksgruppe freut sich über das nunmehr herrschende gute Klima im Lande, gerade deshalb sollten aber gewisse Fortschritte möglich sein, u.a. auch die Verdoppelung oder Aufstockung der Förderungsmittel für die Volksgruppe, die schon über 25 Jahre nicht erhöht wurden.

Die Vertreter des Rates der Kärntner Slowenen sind bereit, bei jedem konstruktiven Treffen ihre Vorschläge einzubringen und eine dynamische Weiterentwicklung der Volksgruppenrechte zu unterstützen, ganz im Geiste des Staatsvertrages, der wiederholt davon spricht, dass die Volksgruppenangehörigen “dieselben Rechte genießen wie alle anderen Staatsbürger”.

 

Celovec / Klagenfurt, 15.05.2020